„Der beste Service für den Kunden": Wie Softwareanbieter mit Abos Abhängigkeiten schaffen

Microsoft, Adobe, Salesforce – sie alle wollen nur das Beste für Sie. Zufällig ist das Beste immer ein Abo.

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„Der beste Service für den Kunden": Wie Softwareanbieter mit Abos Abhängigkeiten schaffen
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“Wir wollen nur das Beste für Sie”

Das sagen sie alle. Microsoft, Adobe, Salesforce, Autodesk. Der beste Service. Die beste Experience. Die beste Cloud-Integration.

Zufällig ist “das Beste” immer ein Abo. Monatlich kündbar (theoretisch). Jährlich günstiger (natürlich). Unverzichtbar für moderne Arbeit (angeblich).

Die Debatte über Abo vs. Kauf verfehlt das eigentliche Problem. Es geht nicht um die Lizenzform. Es geht um Macht.

Keine Frage der Lizenz – eine Frage der Kontrolle

Beides hat Vor- und Nachteile. Moralisch ist weder das Abo noch der Kauf überlegen.

Kritisch wird es, wenn der Anbieter:

  • das Dateiformat kontrolliert (versuchen Sie mal, eine .pptx ohne PowerPoint zu öffnen)
  • die Schnittstellen verwaltet (API-Zugang? Nur mit Enterprise-Lizenz)
  • die Infrastruktur erzwingt (Cloud-Pflicht für lokale Software)

Dann geht es nicht mehr um Service. Dann geht es um Planbarkeit. Wiederkehrende Umsätze. Wachstumskurven. Quartalszahlen.

Klartext: Ihr “bester Service” ist deren beste Bilanz.

Die Microsoft-Migrationswelle: Ein Fallbeispiel

Laut iX/Heise nutzen 70% der deutschen KMUs noch Office 2016 oder 2019. Ab Oktober 2025 läuft der Support aus.

Was passiert dann?

  • Keine Sicherheitsupdates mehr
  • Kompatibilitätsprobleme mit neueren Formaten
  • Sanfter (und weniger sanfter) Druck, zu wechseln

Office 2021 – der Kaufnachfolger – fristet ein Nischendasein mit 14% Verbreitung. Microsoft positioniert 365 als “die Zukunft”. Die Entscheidung scheint freiwillig. Sie ist es nicht.

Das Muster:

  1. Kaufversion anbieten, aber nicht bewerben
  2. Support für Kaufversion einstellen
  3. Abo als “einzige moderne Option” positionieren
  4. Wiederholen

Das Ökosystem als Gefängnis

Wer Format, Cloud und Authentifizierung kontrolliert, kontrolliert den Zugang. Wer den Zugang kontrolliert, kontrolliert den Kunden.

Beispiele aus der Praxis:

  • Teams wird “integriert” – nicht weil Sie es wollten, sondern weil es installiert wird
  • Cloud-Pflicht – selbst lokal installierte Software braucht plötzlich eine Verbindung
  • Authentifizierung – ohne Microsoft-Konto kein Zugriff auf Ihre eigenen Dateien

Der beste Service? Maximale Bindung, minimale Wechselwahrscheinlichkeit.

Warum kleine Unternehmen besonders leiden

Große Konzerne haben Verhandlungsmacht. Sie bekommen Enterprise Agreements, Rabatte, Sonderkonditionen.

KMUs bekommen: Standard-Preise. Take it or leave it.

Und sie können nicht “leave it”:

  • Investitionen müssen geschützt werden (zehn Jahre Office-Schulungen)
  • Fachkräfte fehlen (wer soll LibreOffice administrieren?)
  • Migration ist teuer, riskant, komplex

Das Ergebnis: Ein faktisch geschlossener Markt. Wer drin ist, bleibt. Nicht wegen Qualität – sondern wegen Mangel an realistischen Alternativen.

Innovation für den Shareholder

Viele Softwareprodukte wachsen. An Funktionen, Oberfläche, Preis. Aber nicht zwangsläufig am Nutzwert.

Neue Features werden nicht entwickelt, weil sie gebraucht werden. Sie werden entwickelt, weil sie “Upgrade-Gründe” liefern. Höhere Abo-Stufen. Bessere Margen. Schönere Quartalsberichte.

Das KI-Beispiel: Microsoft 365 Copilot kostet 30€/Monat extra. Pro Nutzer. Für eine Funktion, die vielleicht 10% der Nutzer wirklich brauchen. Aber alle sollen dafür zahlen können.

Das ist keine Innovation für den Kunden. Das ist Innovation für den Börsenkurs.

Was Sie tun können

Als Unternehmen

1. Anforderungen zuerst, nicht Produktversprechen

  • Was brauchen Sie wirklich?
  • Reicht E-Mail und Text – oder brauchen Sie AI-Assistenten und Cloud-Collaboration?

2. DSGVO von Anfang an

  • Speichert der Dienst in der EU?
  • Gibt es Datenabflüsse in die USA?
  • Hoffen Sie nicht auf “spätere Anpassungen”

3. Komplexität vermeiden

  • Jedes Extra kostet: Konfiguration, Wartung, Schulung
  • Wenn Sie nur 30% nutzen – warum für 100% zahlen?

4. Versteckte Kosten einplanen

  • Migration klingt einfach
  • Dann: Datenübernahme, Schulung, Anpassung, Support-Tickets
  • Budget verdoppeln, Zeitplan verdoppeln, dann sind Sie realistisch

Als Politik (falls jemand zuhört)

  1. Kauflizenzen gleichwertig anbieten – keine Streichung durch die Hintertür
  2. Interoperabilität fördern – offene Standards gesetzlich absichern
  3. Marktmacht begrenzen – Wettbewerbsrecht auf Abhängigkeitsmodelle ausweiten
  4. Regionale Anbieter stärken – öffentliche Ausschreibungen mit Fokus auf Datenschutz

Alternativen, die funktionieren

Microsoft 365DSGVO-konforme Alternative
OutlookTutanota, Mailbox.org, Posteo
Exchange OnlineKopano, Mailcow, Zimbra
Word/Excel/PowerPointONLYOFFICE, LibreOffice, SoftMaker
OneDriveNextcloud, Seafile, ownCloud
TeamsJitsi Meet, BigBlueButton, Element
SharePointNextcloud Hub, Plone
Planner/TasksOpenProject, Kanboard, Wekan
Power Automaten8n.io, Node-RED
Power BIMetabase, Redash
Azure ADKeycloak, Authelia

Ehrlichkeit: Diese Alternativen sind nicht automatisch einfacher. Aber sie bieten mehr Kontrolle, weniger Abhängigkeit und keine US-Datenabflüsse.

Ob sich der Aufwand lohnt, hängt von Ihrem Risikoprofil ab. Und davon, wie viel Ihnen Unabhängigkeit wert ist.

Die eigentliche Frage

“Der beste Service für den Kunden” ist Marketing-Sprech. Hinter der Fassade steht ein Kalkül: Kontrolle sichern, Wachstum garantieren, Markt absichern.

Echte Kundenorientierung zeigt sich nicht im Abozwang. Sie zeigt sich in Auswahl, Transparenz und der Möglichkeit, zu gehen.

Wer informiert entscheidet, spart langfristig – nicht nur Geld, sondern auch Freiheit.

Die Frage ist nicht, ob Abo oder Kauf. Die Frage ist: Wer hat die Kontrolle über Ihre Daten, Ihre Prozesse, Ihre Zukunft?

Wenn die Antwort “nicht Sie” lautet, haben Sie ein Problem. Egal wie gut der Service angeblich ist.